
Stefan Kießling
Stefan Kießlings Phantomtor gegen Hoffenheim ist wahrscheinlich schon jetzt der skurrilste Moment der Saison 2013/14. In der 70. Minute köpfte Leverkusens Stürmer eine Ecke auf den Kasten der TSG, der Ball strich jedoch klar sichtbar am Pfosten vorbei und ans Außennetz. Dummerweise hatte jenes Außennetz an genau dieser Stelle ein Loch, wodurch der Ball doch noch den Weg ins Tor fand. Ein Materialfehler, den man hätte vermeiden können, wenn man in Sinsheim das Stadionbudget nicht durch den Kauf von Schallkanonen ausgereizt, sondern gescheite Tornetze gekauft hätte. Während Kießling also enttäuscht abdrehte und hadernd die Hände über dem Gesicht zusammenschlug, kamen einige Mitspieler auf den vermeintlichen Torschützen zu und fingen an, ihm zu seinem „Treffer“ zu gratulieren. Die Skepsis in der Jubeltraube war dabei deutlich zu sehen, die Spieler tauschten verwirrt grinsend verschlagene Blicke aus und wirkten dabei wie eine Gruppe Halbstarker, denen an der Dorftankstelle ein verbotener Spirituosenkauf gelungen war. Und während Thomas Helmer zuhause wahrscheinlich von der Couch aufstand, um im Garten nostalgisch ein paar Bälle neben das Tor zu kicken, liefen Kießling und die anderen Leverkusener Strolche zurück zum Anstoßpunkt, um ein Spiel fortzuführen, das nun wahrscheinlich wiederholt werden muss. Und das auf jeden Fall im kollektiven Bundesliga-Gedächtnis bleiben wird.
Dr. Felix Brych
Wir nehmen nur selten Schiedsrichter in dieser Liste auf, denn die Unparteiischen haben es ja ohnehin nicht einfach, schließlich üben sie einen Job aus, in dem ihnen oft mehr Hass entgegenschlägt als Courtney Love auf einem Nirvana-Fanclubtreffen. Nach Kießlings Phantomtor kommen wir in dieser Woche aber an Schiri Dr. Felix Brych wirklich nicht vorbei, schließlich war er es, der diesen Fantasietreffer durchwinkte. Wie es dazu kommen konnte, weiß er wahrscheinlich selbst nicht so richtig. Kein Hoffenheimer beschwerte sich, ein paar Leverkusener freuten sich verhalten und der Ball lag im Netz, also gab Brych den Treffer. Vielleicht war es auch eine Lücke im Raum-Zeit-Kontinuum, die ihn die Szene verpassen ließ? Ein Fehler in der Matrix? Wir wissen es nicht. Richtig unangenehm sei das für ihn, sagte er nach der Partie und wirkte dabei ähnlich geknickt wie seine Optik während des Spiels. Das glauben wir ihm gern und hoffen absolut unironisch und trotz unserer Frotzelei, dass seine Karriere keinen Schaden an dieser Szene nimmt. Prinzipiell, das sollte nicht vergessen werden, ist der Mann ein formidabler Schiedsrichter. Wie Brych den Sonntag verbracht hat, wissen wir übrigens nicht, aber wir mutmaßen, dass er ein langes Telefonat mit Hans-Joachim Osmers führte, in dem die beiden über das hinterhältige Wesen von Torlinien und die allgemeine Löchrigkeit der Dinge sinnierten.
Roberto Firmino
Wenn es irgendjemanden gibt, der von Kießlings Phantomtor profitiert, dann ist es vielleicht Hoffenheims unterbeschäftigter Vereins-Chronist, der seit Samstag nun Stoff für ein ganzes Kapitel hat. Und vielleicht noch Roberto Firmino, denn bei all der Phantomtor-Mania blieb kaum Zeit, um über Firminos katastrophalen Elfmeter zu sprechen. Beim Stande von 2:0… äh, entschuldigung: „2:0“ verdödelte Hoffenheims Brasilianer einen Strafstoß so slapstickhaft, dass sich Dick und Doof verschämt abgewendet hätten. Den zunächst verschossenen Elfer jagte Firmino nämlich im Nachschuss an den Pfosten, das Tor war dabei in etwa so leer wie der Mettigel-Teller nach dem gemeinschaftlichen Redaktions-Mittagessen. Im anschließenden Gewühl durfte auch Leverkusens Ömer Toprak noch ein wenig an der kuriosen Geschichte dieses Spiels mitschreiben, als er den Ball beim tölpeligen Klärungsversuch akrobatisch ein weiteres Mal an den Pfosten setzte. Und so um Haaresbreite der zweifelhaften Ehre entging, das vielleicht Welt-dümmste Eigentor zu schießen. Schwein gehabt.
Shawn Parker
Bedanken wollen wir uns bei Shawn Parker, der uns für eine so wunderschöne wie kurze Zeit glauben ließ, die Bayern seien eventuell vielleicht doch irgendwie besiegbar. Kurz vor der Pause lief Parker nach einem bösen Schnitzer von Jerome Boateng allein auf Manuel Neuer zu, umkurvte den Keeper und schob zum sensationellen 1:0 für die Mainzer ein. Ein feuchter Traum für all jene, die es nicht mit den Bayern halten, denn der Rekordmeister ist dem Rest der Liga derzeit in etwa so überlegen wie es Mike Tyson im Barenuckle-Fight mit Daniel Küblböck wäre. Nur dass das für den Zuschauer eventuell unterhaltsam sein könnte. Wie dem auch sei, kurz nach der Pause war der Traum ausgeträumt und es bleibt die bittere Erkenntnis, dass die Münchner auch ein eher schwaches Spiel ziemlich mühelos noch in eine Klatsche verwandeln können, wenn sie denn ernst machen. Bliebe einem also das Träumen. Wobei: Würde man derzeit nachts tatsächlich mal von einer Niederlage des FCB träumen, scheint es bei der derzeitigen Dominanz der Münchner nicht unmöglich, dass einem die versammelten Superbayern ins Schlafzimmer sprinten, um einem die Flausen aus dem Kopf zu bolzen. Ein Alptraum.
Mario Götze
Dass die Bayern derart dominant sind, liegt sicherlich einerseits am spanischen Wundersuperduperweltklassetrainergenie Pep Guardiola, andererseits aber auch an der Tatsache, dass sich die Vereinsoberen in den vergangenen Jahren eine Mannschaft zusammengeshoppt haben, die wohl weltweit ihresgleichen sucht. Spieler wie Thiago Alcantara oder Mario Götze können wochenlang verletzt fehlen und es fällt einfach gar nicht auf. Zumindest Götze konnte am Samstag nun mal wieder mittun und zeigte direkt, warum die Bayern im Sommer eine Unverschämtillion Euro an den BVB überwiesen. Denn es war die solariumgebräunte Nike-Werbeikone, die mit seiner Spielfreude und seinen Vorlagen die Mainzer Beinahe-Sensation in eine üble 1:4‑Niederlage verwandelte. Mit diesem Team stellt sich die Frage, ob die Bayern denn überhaupt mal ein Spiel in der Liga verlieren werden oder ob sie nicht einfach in alle Ewigkeit die Gegner vermöbeln, bis sich die anderen Teams nach und nach vom Spielbetrieb abmelden und das Wort „Chancengleichheit“ aus dem Duden getilgt wird, weil niemand mehr weiß, was es bedeutet.
Leon Goretzka
Glückwünsche gehen in dieser Woche an Schalkes Nachwuchs-Mittelfeldspieler Leon Goretzka. Der war im Sommer unter lautem Getöse von Bochum nach Schalke gewechselt und ist dort zurzeit noch eher Ersatzspieler, während im Schalker Mittelfeld ordentlich gedraxlert, geboatengt und neuerdings auch gemeyert wird. Im fröhlichen Abstauberfestival, das die Gelsenkirchener am Samstag in Braunschweig feierten, kam Goretzka aber nach einer Verletzung von Marco Höger zu seinem sechsten Bundesligaeinsatz und kickte den Ball anschließend aus gefühlten zwanzig Zentimetern und dem Gewühl heraus ins Tor – die schmutzige Mutter aller Abstauber. Dem Jungen wird allenthalben eine große Karriere vorausgesagt und auch wir glauben daran; vielleicht sollte er aber darüber nachdenken, seinen Enkeln in ferner Zukunft eventuell ein anderes der sicher noch folgenden Bundesligatore als seinen Debüttreffer zu verkaufen, denn sein Premierentor war in etwa so schön anzusehen wie Peggy Bundy nach einer durchzechten Nacht.
Antonio Rüdiger
Der „11FREUNDE-Leberhaken in Gold“ geht diese Woche an Stuttgarts Antonio Rüdiger, wobei es sich bei genauerer Betrachtung der Bilder tatsächlich eher um ein Leberhäkchen handelte als um den gnadenlosen Martial-Arts-Punch, den Rafael van der Vaarts Abrollen zunächst vermuten ließ. Weshalb wir darüber nachdenken, Rüdiger den goldenen „11FREUNDE-Esel“ direkt mitzuverleihen, weil sein trauriger Diminutiv von einer Tätlichkeit wirklich vollkommen unnötig und überflüssig war. Aber gut, einerseits sind Tätlichkeiten immer unnötig und überflüssig, selbst wenn sie nur die hauchzarte Andeutung eines Leberhakens sind. Andererseits ist Stuttgarts Innenverteidiger noch jung und hat also noch ausreichend Zeit, sich kleine Stupser in gegnerische Rippenbögen abzugewöhnen.
Martin Stranzl
Die Eselhaftigkeit der Rüdigerschen Tätlichkeit ging Martin Stranzls Gelb-Roter Karte am Samstagabend zwar ab, dennoch ist dieser Platzverweis eine Erwähnung wert. Im Spiel gegen die Hertha wurde Gladbachs Innenverteidigungs-Veteran nämlich für zwei Fouls verwarnt, die derart harmlos waren, dass Maik Franz auf der Tribüne wahrscheinlich Tränen lachte. Innerhalb von zwei Minuten ging Stranzl zweimal in den Luftkampf und wurde zweimal mit Gelb bedacht. Dumm gelaufen. Neben der zeitlichen Nähe ist es aber vor allem Stranzls ehrlicher, wilder Zorn ob dieser Ungerechtigkeit, der ihm seinen Platz in unserer 11 sichert. Motzend und zeternd schlich der Verteidiger im Nachgang der Entscheidung um Schiri Dr. Jochen Drees herum und man musste sich kurzzeitig Sorgen machen, ob er sich vielleicht zu dem hinreißen ließe, was man in Rumänien den „Ganea machen“ nennt. Schließlich stampfte Stranzl aber vom Platz, versorgte den vierten Offiziellen noch mit einem großen Löffel Stranzlscher Galle und stürmte in die Katakomben, wo er, wie wir vermuten, den erstbesten Ordner umschubste. Vor unserem inneren Auge brüllte Janusz Gora „Schkandall“ und Jürgen Klinsmann trat wütend Löcher in Tonnen. Dieser Sport ist, wie wunderschön, einfach sehr emotional. Auch wenn es mitunter ungerecht zugeht.
Vedad Ibisevic
An dieser Stelle sollte eigentlich Stuttgarts Alexandru Maxim stehen, der derzeit im Wochentakt eine Sahnevorstellung an die nächste reiht; wir haben uns aber für Vedad Ibisevic entschieden, weil es uns als die Feierbiester, die wir sind, zu gleichen Teilen löblich und unverständlich erscheint, wie Ibisevic am Sonntag gegen Hamburg schon wieder derart fit über den Rasen jagen konnte. Am Dienstag nämlich schoss Ibisevic das Tor zur erstmaligen WM-Qualifikation Bosnien-Herzegowinas, woraufhin im Balkanstaat eine Party von derart epischen Ausmaßen ausbrach, dass wir allein beim Gedanken daran ein paar Gehirn- und Leberzellen einbüßen und uns mit Kater auf die Redaktionscouch schleppen, um Aspirin und Junkfood zu konsumieren. Ibisevic aber scheint die Sause gut weggesteckt zu haben, denn beim 3:3 seiner Stuttgarter in Hamburg spielte der Stürmer, als wäre nix gewesen, legte ein Tor auf und zwang seinen Gegenspieler Djourou im Zweikampf zum Gegentor. Da ziehen wir anerkennend die Sixpack-Pappverpackungen, die wir vom Wochenende noch auf dem Kopf haben.
William Kvist
„Fußball ist ding, dang, dong“, sagte einst der große Giovanni Trapattoni und wer wollte bei derart klugen Worten widersprechen? Wir jedenfalls nicht, fügen aber demütig an, dass Fußball manchmal auch „stolper“ und „rutsch“ ist. Wer das nicht glaubt, kann getrost bei Stuttgarts William Kvist nachfragen, der am Sonntag im Spiel gegen den HSV zunächst den Ball verstolperte und bei dem kurz darauf folgenden Klärungsversuch auch noch wegrutschte. In beiden Situationen sah der Däne in etwa so elegant aus wie Bud Spencer beim Ballett tanzen – der Weg zum Hamburger 1:1 durch Pierre-Michel Lasogga war frei. Aber kann ja mal passieren. Und außerdem kann man es ja auch positiv sehen: Dass es in Hamburg überhaupt zu einem solchen Spektakel kam, lag auch an William Kvist. Vielen Dank dafür.
Luiz Gustavo
Es ist eine Floskel als Antwort auf eine andere Floskel und somit eine Art Superfloskel, die wir hier bemühen, aber: Geld schießt eben doch Tore. Erneut unter Beweis gestellt hat diese, *hüstel*, Weisheit am Sonntag Wolfsburgs Luiz Gustavo, der den Spielverlauf mit seinem Kopfball zum 2:1 im Spiel gegen Augsburg aber mal gehörig auf den Kopf stellte. Gustavo hat den VfL im Sommer wahrscheinlich mehr gekostet, als den FC Augsburg der Bau des Stadions und die leidenschaftlich kämpfende und Chancen versemmelnde Augsburger Mannschaft wurde durch die Eiseskälte eben dieses internationalen Topspielers bestraft. Und wir sehen uns, mal wieder, in unserer Floskelhaftigkeit bestätigt.
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